Geplatzte Träume, Bauskandal, Spielwiese für Graffiti-Künstler, Filmkulisse, Touristen-Hot-Spot: Das "Village Fantôme" in Pirou-Plage auf dem Cotentin hat es zu einer gewissen – traurigen – Berühmtheit gebracht. Nun wurde es dem Erdboden gleich gemacht; nur noch wenige Häuser stehen.
Pirou, ein beschaulicher Ort an der Westküste des Cotentin. 1500 Einwohner – im Winter. Im Sommer sind es etliche 1000 mehr. Pirou-Plage, ein Ferienort wie so viele. Kleine Ferienhäuser, Bars und Restaurants, ein Kino, ein Campingplatz. Wer durch die Straßen schlendert, hört das Meer rauschen. Direkt an den Dünen wohnen, barfuß bis zum Strand spazieren, abends den Sonnenuntergang über dem Meer anschauen: Wer wollte das nicht? Anfang der 1990er Jahr zauberte ein Investor diesen Traum aufs Reißbrett. Aquatour – ein neues Baugebiet in Pirou-Plage. Einen Möwenschiß von Dünen und Strand entfernt. Schicke Bungalows, ein Hotel, ein Pool, Tennisplätze. Ein Traum. Ein Traum, den zahlreiche Menschen mitträumten, Grundstücke kauften und schon Kinderlachen und Meeresrauschen hörten. Ein Traum auch fürs damals darbende örtliche Handwerk, das sich auf die Aufträge stürzte und die Pavillons in den feinkörnigen Sand von Pirou-Plage setzte, auch wenn sämtliche Infrastruktur – von Straßen über die Wasserversorgung bis hin zur Elektrizität – noch fehlte.
Die Traumstadt – auf Sand gebaut
Dann der Schock: Die Bank drehte dem Investor den Geldhahn zu. Und weil überhaupt keine Baugenehmigung vorlag, wurde das gesamte Projekt gestoppt. Der Traum – ausgeträumt. Der Investor – pleite. Die geprellten Handwerker holten aus dem Gebiet von Aquatour alles, was nicht niet- und nagelfest war, bis die Polizei dem Treiben Einhalt gebot. Prozesse wurden geführt, Grundstücke zurück gekauft. Ein langwieriger Prozess. 25 Jahre lang moderte das einst so ehrgeizige Bauprojekt vor sich hin.
Mauern zerfielen, Dächer stürzten ein. Graffiti-Künstler aus der Region entdeckten das Village Phantôme als ihre Spielwiese. Nicht wenige haben hier ihre ersten Werke kreiert, sich ausprobiert, ihre Handschrift entwickelt. Sie haben dem Village Fantôme neues Leben eingehaucht. Es wurde ein Ort der Kreativität, ein Tummelplatz nicht nur für Sprayer, sondern auch für Videokünstler und Fotografen. Das Village Fantôme inspirierte Filmemacher und Literaten. Geocacher konnten hier auf Schatzsuche gehen, eine Rettungshundestaffel übte den Ernstfall. Ein spektakuläres Drohnenvideo setzte der Geisterstadt ein virtuelles Denkmal – und machten sie in ganz Frankreich bekannt. Das Village Fantôme avanchierte zur Sehenswürdigkeit. “Gespenstisches Ambiente - sehr cool!” so die Resonanz auf Tripadvisor.
Das Ende der Geisterstadt
Doch damit ist es vorbei: Seit November 2016 fressen sich Bagger durch die 70 Pavillons. Übrig bleiben trostlose Steinhaufen. Ende Januar 2017 stehen nur noch eine Handvoll Gebäude. In ihnen wurde Asbest gefunden, das gesondert entsorgt werden muss. Bis Ende Februar sollen die letzten Mauern fallen, und die zerplatzten Träume werden in den Sand geschriebene Geschichte sein.
Eine Anschlussnutzung nach dem Großreinemachen in Aquatour wird noch gesucht. Ein Thalassobad und ein Altenwohnheim standen schon zur Disposition. Umweltschützer dagegen plädieren dafür, das sensible Gelände so nah an den Dünen nicht wieder zu bebauen, denn die Küstenerosion ist auch in Pirou ein drängendes Problem.
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