[UPDATE] Jeder, der schon mal an den Landungsstränden in der Normandie war, weiß: Die Geschichte begegnet einem überall. Es gibt unzählige Museen, Monumente, Gedenktafeln – und auch Friedhöfe. Die meisten erzählen die Geschichte der Schlacht, berichten von Heldentum und Grausamkeit und letztendlich vom Sieg über die Nazi-Truppen. Die meisten Geschichten werden aus der Perspektive der Alliierten erzählt, einige wenige aus der Sicht der deutschen Besatzer. Über das, wie die französische Zivilbevölkerung Besatzung und Befreiung empfunden hat, erfahren wir indes nur wenig. Die US-amerikanische Filmemacherin Christian Taylor will das mit ihrem Doku-Drama "The Girl Who Wore Freedom" ändern.
Zeugen der Geschichte sind auch heute noch allgegenwärtig an den Landungsstränden in der Basse-Normandie. Ihr könnt Museen besuchen oder Jeep-Touren buchen. Das D-Day-Festival, das alljährlich Ende Mai, Anfang Juni stattfindet, erinnert an das Geschehen und zieht Jahr für Jahr mehr Schaulustige an. Nicht nur Geschichtsinteressierte, sondern Menschen, denen diese spezielle Mischung aus Gedenken, Reenactment, Kultur und Freilichtfete gefällt. Selbst, wenn Ihr einfach an den Stränden zwischen Caen und Cherbourg spazieren geht, begegnen Euch bis heute steinerne Zeitzeugen von Rommels Atlantikwall. Bei all dem Gedenken: Über das Leben der französischen Zivilbevölkerung in diesen Jahren der Besatzung und Befreiung erfahren wir wenig. Dabei zahlte die Bevölkerung in der Normandie einen hohen Preis. Vier Jahre Besatzung, Unterdrückung und Repression durch die deutschen Truppen. Dann die Befreiung durch die Alliierten. Als die Deutschen endlich weg waren und Frankreich befreit, lag die Normandie in Trümmern. Viele Städte und Dörfer waren während der Kampfhandlungen ganz oder teilweise zerstört worden. Dennoch: Franzosen und Amerikaner (und an den anderen Abschnitten der Landungsküste auch Engländer und Kanadier) verbindet bis heute diese Geschichte. Eine Geschichte großer Gefühle und tiefer Dankbarkeit. "Es ist eine ganz besondere Liebesgeschichte", sagt Filmemacherin Christian Taylor.
Einsatz für die Unterdrückten
Taylor kam eher zufällig in die Normandie. Ihr ältester Sohn Hunter diente in der 101st Airborne Division (also der Truppe, die 1944 die Luftlandung in der Normandie durchführte) und wurde im Frühsommer 2015 von Afghanistan in die Normandie verlegt – für die D-Day-Feierlichkeiten. Seine Mutter hörte zum ersten Mal von diesem Ereignis, ihr Interesse und ihre Neugier waren geweckt. So beschloss sie, Hunter in die Normandie zu begleiten. "Ich war völlig überwältigt von der Liebe und Dankbarkeit, die die Franzosen unseren Veteranen, den jungen US-Soldaten von heute und selbst mir als einfacher US-Bürgerin entgegenbrachten", so Christian Taylor. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie stets gehört, dass die Franzosen die Amerikaner hassen würden. Ihre Erfahrungen in Carentan erzählten das komplette Gegenteil. Gastfreundschaft und Herzlichkeit waren an der Tagesordnung. Und: "Diese Erfahrung in Carentan hat mich daran erinnert, was wir als Amerikaner sind, wenn wir unser Bestes geben: Wenn wir uns für die einsetzen, die arm und unterdrückt sind, deren Freiheit und Unabhängigkeit gestohlen wurde", resümiert sie. Christian stand tief bewegt und mitten im Getümmel, als eine Französin den jungen Soldaten Hunter um ein gemeinsames Foto ersuchte. Christian, ganz stolze Mutter, bot sich an, auf den Auslöser zu drücken. So lernt sie Dany Patrix Boucherie, ihren Mann Jean-Marie und die gemeinsame Tochter Flo kennen, die in den folgenden Tagen ihre Fremdenführer in der Normandie sind. Und sie lernt Danys Geschichte kennen, die Geschichte des Mädchens, das die Freiheit trug. Diese Geschichte sollte sie nicht mehr loslassen – deshalb hat sie sie im Mai und Juni 2018 verfilmt.
Ein Mädchen im Kleid der Freiheit
Dany Patrix Boucherie wurde 1939 im kleinen Ort Sainte-Marie-du-Mont auf dem Cotentin geboren. Ein Jahr, bevor die deutschen Truppen kamen und fortan Leben und Alltag ihrer Familie, Freunde
und Nachbarn bestimmen sollten. Ihr Vater Paul schloss sich nach der Kapitulation Frankreichs in England De Gaulles Forces françaises libres an. Mutter Cecile blieb während der Besatzungsjahre mit Dany und ihrem Bruder allein zurück in Sainte-Marie-du-Mont. Entbehrungsreiche Jahre, voller Angst, Kontrolle und Suppression, die erst mit der Landung der Alliierten am 6. Juni 1944 ihr Ende fanden. Sainte-Marie-du-Mont war der erste Ort, der im Zuge der Operation Overlord von den Amerikanern befreit wurde.
"Fünf Jahre, nachdem die Deutschen unser Land besetzt hatten, fand ich mich auf einer Zeremonie an Utah Beach wieder", so Danys Erinnerungen im Trailer zum Film. "Und ich trug ein besonderes Kleid, ein Kleid, das meine Mutter genäht hatte." Es ist ein Kleid, das an die Fahne der USA erinnert. "Genäht aus dem Stoff der Fallschirmjäger, die kamen, um die Freiheit zu bringen."
Tiefe Verbundenheit – bis heute
Das Kleid ist bis heute in Danys Besitz, ein zweites ist Ausstellungsstück im Museum Utah Beach. Ihre Familie sollte zeitlebens eine besondere Verbundenheit zu den US-Truppen pflegen: Danys Eltern Paul und Cecile kauften nach Kriegsende eine kleine Bar in Sainte-Marie-du-Mont und nannten sie zu Ehren der Befreiung "Bar du 6 Juin" – Bar des 6. Juni. Danys Onkel schuf für das Interieur Gemälde, die die Landung der Truppen und den Absprung der Fallschirmjäger zeigen. 20 Jahre lang war die Bar im Besitz der Familie Patrix. Dany trägt außerdem bis heute einen wahren Schatz mit sich herum: Ein Autogrammbuch mit Unterschriften der D-Day-Veteranen. Schon Mutter Cecil hatte das Album angelegt und konnte unter anderem General Omar Bradley, der die 1. US-Armee bei der Schlacht an den Stränden an Utah und Omaha anführte, zu einer Signatur bewegen. Viele weitere Autogramme von Veteranen sind bis heute dazu gekommen.
Das Filmprojekt "The Girl Who Wore Freedom"
Ich gestehe offen: Ich kann mich nur schwer der Faszination dieser kleinen und großen Geschichten entziehen. Und ich mag die Idee, die Geschichte des D-Days aus der Perspektive der Franzosen zu erzählen. Aus der Sicht von Menschen, die damals Kinder und Jugendliche waren und durch die Zeit des Krieges tief geprägt wurden. Neben Dany kommen weitere Zeitzeugen in dem Film zu Wort, außerdem Veteranen der US-Truppen. Dokumentiert wurden außerdem die D-Day-Feierlichkeiten im Juni 2018. Ergänzt wurde der Dokumentarfilm um Spielszenen, die verdeutlichen, wie sich der Alltag unter der deutschen Besatzung gestaltet hat. Gedreht wurde ab Ende Mai 2018. Der Film soll 2019, zum 75-jährigen Jubiläum der Operation Overlord, in der Normandie Premiere feiern.
Das Filmprojekt "The Girl Who Wore Freedom" braucht Eure Unterstützung!
Einen professionell gedrehten Film kann man nicht aus der Portokasse finanzieren. Informationen zum Film und die Möglichkeit, einen kleinen Beitrag zur Realisierung des Projekts zu leisten, findet Ihr auf der Projektseite Normandystories. Weitere Infos gibt es auch auf der Facebook-Fanseite, mit der Ihr auf dem aktuellen Stand zum Filmprojekt bleiben könnt.
Ein großes "Merci" an Christian Taylor für die freundliche Genehmigung, die Fotos verwenden zu dürfen!
Geplante Aufführungstermine
Der Fim wird im Rahmen des D-Day-Festivals 2019 der Öffentlichkeit vorgestellt. Aufführungstermine sind:
- 31. Mai, Utah-Beach-Museum, Sainte-Marie-du-Mont: Preview
- 4. Juni, 20 Uhr, D-Day-Experience, Saint-Come-du-Mont
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