"Warum machst du das eigentlich", wurde ich am Anfang des Jahres gefragt. "Warum mache ich das eigentlich", fragte ich mich, als Idgie krank war und ich keine Zeit für den weiteren Ausbau der Seite hatte. "Warum tust du dir das nur an", grummelte der Verstand, als in der facebook-Gruppe gepöbelt und provoziert wurde. "Warum mache ich das, wenn es doch keinen Sinn macht", lautete die Frage, als der Hund Wood entlief und zwei Monate verschwunden blieb. Ich drohte in eine ernste Blogpression zu fallen. Seit drei Tagen nun sitze ich heulend vor dem PC - vor Glück! Denn Wood konnte gesichert werden. Und die Antwort lautet: Weil es großartig ist, Teil von etwas zu sein. Weil es schön ist, andere Menschen indem zu unterstützen, was sie tun. Ob sie in Not sind, weil sie ihren Hund finden wollen. Oder einfach nur ein paar schöne Tage in der Normandie verbringen wollen.
Woods ganze Geschichte
Wood, der kleine Kämpfer, ist am Samstag, 4. August in den Dünen von Hatainville entlaufen. Es war ein warmer und sonniger Tag, die Hunde und ihre Menschen genossen ein unbeschwertes Leben, wie es perfekter nicht sein könnte. Nichts deutete auf die Katastrophe hin, die kurz darauf ihren Lauf nehmen sollte. Denn Wood erschrak und lief mitsamt seiner Schleppleine davon. Als er abends noch immer nicht wieder aufgetaucht war, rief Maggie mich an. Sie hatte meine Seite "Hund entlaufen in der Normandie" gegoogelt und bat mich um Hilfe. Sorry, Maggie, dass es so lange gedauert hat! Wie Ihr war auch ich der Meinung, dass wir Wood schnell wieder finden würden.
Wir druckten also Flyer und beklebten die Region großräumig. Da in Carteret ein Fest war, steckten wir Flugblätter an alle Autos. Stefan blieb mit dem anderen Hund in den Dünen, in der Hoffnung, dass Wood zum Entlaufort zurückkehren würde. Er lebte die gesamte erste Woche in der Dünenlandschaft von Hatainville, bis Sturm und Regen sein Zelt vernichteten. Nur Wood dachte überhaupt nicht daran, zurückzukommen. Zu tief steckte ihm der Schreck in den Knochen und als ohnehin ängstlicher Hund schaltete er sehr schnell auf Instinkt um. Und dieser Instinkt bewirkt, dass der Hund vor Menschen flieht. Auch vor seinen eigenen. Das hat nichts mit mangelnder Bindung zu tun, sondern damit, dass der Hund in eine Art Notfallplan verfällt, indem er quasi zum Wildtier wird. So auch Woody: Als Maggie und Stefan ihn Montagmorgen in einem Maisfeld sichteten, lief er vor ihnen weg. Spätestens da war klar, dass das Einfangen nicht so leicht werden würde, wie erhofft. Wir verbrachten die Woche also damit, zu flyern, Menschen kleine Flugblätter in die Hand zu drücken und uns eine Strategie zu überlegen. Wir stellten eine facebook-Seite ins Netz und versahen den Flyer mit einem QR-Code. Gesichtet wurde Wood immer wieder, sodass wir wenigstens die Gewissheit hatten, dass er nirgendwo festhing. Aus Carteret und Hatainville schwabbte eine Welle der Hilfsbereitschaft über die beiden verzweifelten Hundemenschen. Bis dahin wildfremde Menschen organisierten einen Jäger mit einer Lebendfalle, stellten eine Wildkamera zur Verfügung, suchten nach Drohnenfliegern, organisierten Maggies Heimreise und boten Stefan, der eine Woche länger bleiben konnten, Obdach an. Und noch so vieles mehr – es waren tausende kleine Mosaiksteinchen, die im Licht der normannischen Sonne glänzten, um Wood nach Hause zu locken. Diese Hilfsbereitschaft, das Gefühl nicht alleine zu sein, war überwältigend. Allerdings wurde die Sorge um Wood nicht kleiner. Nach der ersten Woche nicht, und nach der zweiten auch nicht. Wir stellten weitere Fallen auf, Stefan musste nach Deutschland zurück, nahm seinen Resturlaub und war schnell wieder da. Und gedanklich immer bei seinem Hund, der manchmal für Tage wie vom Erdboden verschluckt blieb, an keinem Futterplatz auftauchte, nirgends gesichtet wurde. Die letzten drei Tage bevor Stefan endgültig wieder zurück musste, in dem Bewusstsein, dass er in diesem Jahr keinen weiteren Urlaub mehr bekommen würde, tauchte er total ab. Und Stefan musste ohne seinen Hund fahren. Zum zweiten Mal.
Aufgeben? Wood allein in Carteret und Hatainville
Eine liebe Frau aus Hatainville betreute weiterhin die dortige Futterstelle und die Wildkamera. Trotzdem blieb Wood immer wieder für Tage unsichtbar. Ich flyerte weiter und verteilte Flugblätter in Hatainville und Carteret, immer, wenn er irgendwo gesichtet wurde, steckte ich in der der Ecke Flugblätter in die Briefkästen, in der Hoffnung, weitere Sichtungen und eine Art Laufschema zu bekommen. Stefan schickte zusätzliche Wildkameras. Aber die Sorge wuchs. Es wurde kalt nachts, die Jagdsaison hatte begonnen. Ich war manchmal so entmutigt, dass ich auf dem Heimweg von Carteret geheult habe. Aber immerhin: Es zeichnete sich ab, dass Wood immer am Donnerstag am Hafen und am Wochenende beim Campingplatz gesehen wurde. Er kam auch regelmäßiger zu seiner Futterstelle. Stefan leierte seinem Arbeitgeber zwei freie Tage aus den Rippen und lud sein Auto bis zum Anschlag mit Werkzeug voll, um hier vor Ort größere Fallen zu bauen, da Wood die kleineren Fallen nicht annahm. Am Freitag, 28. September, war er wieder auf dem Weg in die Normandie. Vier Helfer hatten sich an diesem Freitagabend auf dem Campingplatz eingefunden, in der Hoffnung, Wood würde, wie die Wochen zuvor, dort auftauchen. In einer Sackgasse platzierten sie ein Auto, um für Wood den Weg eng zu machen. Es gelang ihnen, Wood tatsächlich in dieses Eck zu locken. Sie wussten, sie hatten nur einen Versuch! Wood probierte tatsächlich, durch die Engstelle zu entkommen. Dort wurde er bereits erwartet, geschnappt und in den Kofferraum verfrachtet. Stefan konnte ihn kurz darauf in Empfang nehmen. Wood, der wochenlang auf der Flucht war, ist unendlich erleichtert, wieder bei seinem Herrchen zu sein. Er ist verschmust und anhänglich, weicht Stefan nicht von der Seite. Und laut Tierarzt fehlt ihm nichts!
Ein Happy-End wie aus dem Bilderbuch
Während diese Zeilen entstehen, sind die beiden auf dem Heimweg. Es ist mein ganz persönliches kleines Wunder, die beiden zusammen gesehen zu haben. Wie Wood sich an Stefan schmiegt, endlich
wieder entspannen kann. Sichtlich glücklich ist. Ich bin sicher, die beiden sind auf dem Weg in eine großartige Zukunft! Und ich habe gelernt, dass es wichtig ist, nicht aufzugeben. Es ist so
wertvoll, einander beizustehen . Was einer alleine nicht schafft, schaffen mehrere. Je mehr wir sind, desto größer ist die Chance, dass einer dabei ist, das Unmögliche zu vollbringen.
Also: Bringt Euch ein, und wenn es nur ein kleines Mosaiksteinchen ist, das Ihr beisteuern könnt, so ist es doch wichtig.
Postskriptum: Ein Blick in die Zukunft
Stefan hat mir zwei der Wildkameras überlassen. Diese sollen den Grundstock bilden für eine Ausrüstung, die es künftig ermöglichen soll, schneller vor Ort einsatzbereit zu sein. Denn die Suche nach technischen Hilfsmitteln, ohne die es in einem solchen Gebiet nicht geht, hat uns viel wertvolle Zeit gekostet. Professionelle Hilfe ist keine vor Ort, Fachleute aus Deutschland zu holen, kaum bezahlbar. Was ich plane, erzähle ich Euch in Kürze.
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Berndette (Montag, 01 Oktober 2018 20:07)
Oh Barbara- mir kullern die Tränen! Wunderschön geschrieben... und ein Happy End nach so langer Zeit! Einfach wunderbar und macht meine Welt wieder ein bisschen friedvoller! Danke Danke für alles!!
Andrea (Montag, 01 Oktober 2018 20:30)
Das zu lesen macht die Welt ein bisschen besser und gibt Hoffnung, dass es da draußen Menschen gibt die einfach nur helfen aus purer Nächstenliebe für Mensch und Tier❤️. Ich hatte Gänsehaut beim lesen. DANKE!
Cordula Wojahn-Willaschek (Montag, 01 Oktober 2018 21:13)
Das hast du toll geschrieben! Danke an alle, die sich so eingesetzt haben!!!
Daphne Richter (Dienstag, 02 Oktober 2018 07:43)
ISO toll beschrieben! Mir laufen auch gerade die Tränen . Ich bin do glücklich das Wood wieder gefunden wurde und jetzt wieder zuhause ist. Ein großer Dank an dich und alle Helfer. �
Barbara Hunziker (Dienstag, 02 Oktober 2018 13:18)
Wow, das ist ein kleines Wunder. Ich weiss nicht, was machen würde, wenn mein Hund weg wäre. So schön, dass es noch Leute gibt die helfen. Bei uns in der Schweiz gibt es einen Spruch: "nid luggla gwinnt". Heisst so viel wie: Nicht aufgeben, dann schafft man es auch. Toll hast du das geschrieben.
Helga Brosseder (Dienstag, 02 Oktober 2018 13:35)
Ende gut, alles gut. Der Einsatz hat sich für alle gelohnt und es zeigt sich ein weiteres Mal: dem Menschen ist vieles möglich, besäße er nur die Beharrlichkeit. Barbara, Du bist mein Held!
Vera (Dienstag, 02 Oktober 2018 15:01)
Liebe Barbara, solche Geschichten rühren das Herz an. Welch ein kleines Wunder, möglich durch so viele mitfühlende und hilfsbereite Unterstützer ! Man darf die Hoffnung nie aufgeben. Welch ein Glück, dass du deine Seiten ins Leben gerufen hast - nun haben sie eins gerettet.
Unglaublich schön !!
Gruß
Vera
Barbara (Dienstag, 02 Oktober 2018 15:26)
Vielen Dank für Eure Kommentare und Euren Zuspruch. Wow! Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich bin kein Held. Ich war nur ein kleiner Teil einer großen Sache. Aber das war toll <3 !
Bernadette (Mittwoch, 03 Oktober 2018 22:27)
Ich denke, es war die Tatsache, dass Stefan nie die Hoffnung aufgegeben hat, seine Entschlossenheit Woody wiederzubekommen und seine Tierliebe, die so viele Menschen bewogen hat, ihn zu unterstützen. Mir ging es jedenfalls so. Meine Freude über den glücklichen Ausgang ist unbeschreiblich.
Lexa (Donnerstag, 04 Oktober 2018 17:31)
Wunderbares Happy End!!!
Ich bin auch schon wieder ganz gerührt und hoffe, Wood hier in Deutschland auch mal kennenzulernen �!
Großartig, was ihr da alle auf die Beine gestellt habt!!!
Maggie (Donnerstag, 04 Oktober 2018 20:49)
Liebe Barbara,
ein wunderschöner Artikel! Das Glück an diesem Unglück ist, dass wir so viele tolle Menschen kennengelernt haben. Wir durften so viel Engagement und Nächstenliebe erfahren - es ist einfach überwältigend. Es ist tatsächlich ein Wink des Schicksals gewesen, dass ich in den ersten Tagen unseres Urlaubs Deine Homepage entdeckt hatte. Du warst unser erster Engel, welcher uns ohne wenn und sofort geholfen hat. Ohne Dich wären wir verloren gewesen! Wer hätte gedacht, dass noch viele weitere Engel dazukommen würden, welche sich selbstlos in das Projekt "Save Wood" stürzen würden. Ehrlicherweise gehöre ich leider zu den Menschen, welche das Glas ehr halb leer sehen und somit hatte ich keine große Hoffnung, dass wir unseren Woody jemals wiedersehen. Aber mein geliebter Stefan sieht das Glas immer halb voll und lässt sich nicht so leicht entmutigen!
Wir bedanken uns von ganzem Herzen bei allen Menschen, welche geholfen und mitgefiebert haben! Ich möchte keine Namen aufzählen, da ich befürchte jemanden zu vergessen.
Nächstes Jahr Normandie ist praktisch schon gebucht! Woody zeigt uns dann bestimmt die geheimsten Ecken in den Dünen. :-)
PS: Woody und Archie liegen gerade zusammengekuschelt neben mir auf dem Sofa. Als wäre er nie weg gewesen...
Barbara (Donnerstag, 04 Oktober 2018 21:10)
Liebe Maggie,
jetzt laufen die Tränen - schon wieder! Und ich bin so von ganzem Herzen froh, dass Ihr alle wieder zusammen seid. Wir sehen uns hoffentlich nächstes Jahr alle wieder!
Marcus (Donnerstag, 22 Oktober 2020 00:13)
Eine irre Geschichte! � Gottlob mit Happy End...ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn unsere Süße entlaufen sollte!? Ihr habt alles gegeben und wurdet belohnt...mehr geht nicht! Lieben Dank für diese Story Barbara, ich glaube an die Menschheit, obwohl es oft schwerfällt! ��
Barbara L. (Samstag, 05 Dezember 2020 20:05)
Vielen Dank für diesen berührenden und mutmachenden Bericht! Wie schön, dass Wood damals gefunden werden konnte - lebendig und wohlbehalten... Ja, es gibt auch die guten Seiten von facebook, internet und Co. und manchmal ist es dann ein Geschenk, wenn man Teil eines guten Ganzen sein kann...
Wir haben seit ein paar Monaten eine sehr ängstliche Hündin, sind gerade auf die Normandie gekommen, weil es hier große Feriengrundstücke mit hohem Zaun gibt (neben der wunderschönen Landschaft!) und ich weiß jetzt: Maisie bleibt nächsten Sommer an der Leine! Und wenn es noch so verführerisch wäre, ihr Freilauf am Strand zu geben...
Susan (Mittwoch, 26 Juli 2023 09:45)
Ich lese das gerade erst, nachdem wir jetzt schon fast 2 Wochen mit deinen Vorschlägen kreuz und quer das Land erkunden.
Ich habe sehr viele Jahre mit meinen Hunden in der Hundesuche gearbeitet und kann deine Gefühle so gut nachvollziehen. Ich habe auch geheult, vor Frust und vor Glück. Dieses Gefühl Mensch und Hund wieder vereint zu sehen, ist allerdings unbezahlbar und alle Mühen wert.
Vielen Dank für deinen Einsatz!