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Wie ich zum Hundemenschen wurde

[Blogparade/Namensnennung/unbeauftragte Werbung]. Dini vom Blog Hundekind Abby hat zur Blogparade aufgerufen "Wie ich zum Hundemenschen wurde". Ich finde das Thema total spannend und werde sicher auch das Buch von Günther Bloch, das zur Inspiration für diese Artikelreihe diente, lesen. Wobei ich mich gerade frage, ob ich überhaupt ein Hundemensch bin. Und vor allem: Ein guter Hundemensch? Egal, ich lass Euch mal tief in meine persönliche Sozialisation mit Haustieren blicken.

Ein Border Collie und eine Frau in den Dünen der Normandie.
An der Westküste der Normandie sind Idgie und ich in unserem Paradies angekommen.

Zum Hundemenschen wird frau nicht

Ein Mödchen liebkost einen Dackelwelpen
Mit meinem ersten eigenen Hund ging ein Traum in Erfüllung.

In meiner Kindheit war ich zunächst eines: Ein Tiermensch. Und zwar egal, welches Tier – zum Leidwesen meiner Mutter fand ich alle toll. Ich roch abends nach Kuhstall, weil wir beim Bauern beim Melken geholfen hatten (ja, damals gab's noch so etwas), schleppte allerhand Junggetier zum Aufpäppeln an, wurde vom frechen Shettie auf der Nachbarswiese abgeworfen, liebte Hamster und Meerschweinchen und Wellensittiche. Wenn meine Mutter mich irgendwo suchte, folgte sie den Tieren und irgendwann erzählte sie mir, dass meine Tierliebe für sie ein Trost gewesen sei. Wenn ich schon nie mit Puppen gespielt hätte, so sei doch die Tierliebe ein Indiz dafür gewesen, dass ich so etwas wie "Muttergefühle" habe entwickeln können. Es gäbe also Hoffnung, so für mich als weibliches Wesen. Die habe ich allerdings dann doch enttäuscht, denn meine Mutter wurde von mir nur mit Enkelkatzen und -hunden beglückt. Den Rest musste mein Bruder erledigen.

Der eigene Hund aber blieb mir lange verwehrt. Trotz Wunschzettel an Weihnachten. Ein großes Tier im Haus (und am Ende im Kinderbett) war für meine Mutter undenkbar, obschon meine Oma während des Krieges und auch noch danach sogar Hühner auf dem Balkon gehalten hatte und ab und an das Bett mit ihrem Hahn teilte.  Ich vermute: Das Tier-Gen in unserer Familie hat meine Mutter einfach übersprungen. Ein Kollege meines Vaters hatte niedliche Pudelwelpen: Ich durfte keinen haben. Ich wünschte mir einen Hund.

Ich muss dazu sagen: Hundehaltung, so wie wir sie heute kennen, gab's damals, in den 1970er Jahren noch nicht. Es gab zwar viele Hunde, aber nicht in den Neubausiedlungen, wo wir wohnten, sondern aufm Dorf, nebenan. Als Hofhunde, an der Kette. Oder im Zwinger. Und in meinen Kinderbüchern von Enid Blyton zum Beispiel. Ein Teil meiner romantischen Vorstellungen über Hundehaltung stammt sicher zu gleichen Teilen aus "Lassie"-Filmen und "Fünf Freunde"-Büchern. Davon habe ich mich bis in das jetzt etwas gesetztere Alter nicht wirklich erholt.

Und dann geschah eines Tages das Wunder: Susi, eine kleine Dackeldame, zog bei uns ein. Ein Oups-Wurf, wobei das damals niemand so nannte, weil unkontrollierte Vermehrung noch an der Tagesordnung war. Ich war selig. Leider war Susi kein einfacher Hund. Leinenführigkeit? Denkste! Impulskontrolle? Bin-dann-mal-weg. Der kleine Dackel hatte es faustdick hinter den Ohren. Ich liebte sie abgöttisch.

Leider wurde sie nicht alt, sie erwischte irgendwo Rattengift, auf einem unserer Streifzüge oder vielleicht sogar im heimischen Garten, von einem Nachbarn ausgelegt. Mit ihr starb erstmal der Hundewunsch in meiner gequälten Kinderseele. Nie wieder wollte ich ein Tier verlieren. Nie wieder wollte ich ein Tier wegen gemeinen, hinterhältigen Menschen verlieren müssen.

Die Hunde der anderen

Ein junger Collie in Schwarz-Weiß
Die Collies waren über Jahre mein Lebensmittelpunkt.

Ihr ahnt es schon: Das Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos. Immerhin gab es noch eine rührige Großtante, die in Berlin wohnte und mit ihren beiden Barsoi auf Ausstellungen durch Deutschland tingelte und ab und an bei uns Quartier bezog. Und ein paar hundert Meter weiter, im nächsten Dorf, gab es sogar eine richtige Hundezucht. Mit Collies – Ihr erinnert Euch an Lassie? So war es nur logisch, dass ich dort irgendwann aufschlug, beim Füttern und beim Hof misten half (in der Tat ist das Kot zusammen sammeln auf einem Hundehof und Welpenzimmer reinigen mir eher als Ausmisten in Erinnerung geblieben). Mit den Collies Gassi gehen durfte. Welpen die ersten Schritte an der Leine vermittelte, mit auf Ausstellungen fuhr, Fleisch zerlegen lernte und alles in mich aufsog, was mit Hunden zu tun hatte. Mit den Hunden durch Feld und Flur streifte. Für einige Jahre wurde dieser Zwinger der Dreh- und Angelpunkt in meinem Leben. Mein Fels in der Brandung. Mein Zuhause. Die Collies waren mein Trost, meine besten Freunde.  Ich las alles, was es zu dieser Zeit über Hunde zu lesen gab – Eberhard Trummler und Erik Ziemen waren meinen Favoriten. Ich legte mein Taschengeld in englische Bücher über positives Hundetraining an (in Deutschland war das noch nicht so en vogue, das einzige Hundetraining, das bei uns verbreitet war, hieß Schutzhundetraining) und konnte sicherlich alle Ahnentafeln Britischer Collies in Deutschland im Schlaf aufsagen. Mit der berühmten Mitternachtsformel dagegen habe ich mich auch in hellwachem Zustand immer eher schwer getan.

In dieser Zeit sah ich zum ersten Mal Border Collies in Deutschland, am Vieh arbeitend, versteht sich. Und ich war schockverliebt! Mein nächster eigener Hund sollte deshalb unbedingt entweder ein Britischer Collie oder ein Border werden. Ihr wisst schon: Romantische Vorstellungen von der Hundehaltung :-) .

Leben ist das, was passiert, wenn man andere Pläne macht – oder: hundlos glücklich

Eine Tigerkatze sitzt auf der Schulter einer Frau
Marie begleitete mich 15 Jahre und fehlt bis heute.

Lange, lange Jahre war ich dann allerdings ohne Hund. Irgendwann, als die wildeste Sturm- und Drangzeit vorbei war, zogen Katzen in meinem Haus ein. Marie, die ich mit vier Wochen in einem erbärmlichen Zustand auf der Straße einsammelte, wurde zur Stammmutter meiner Viererbande, die auch mit mir umzog, als ich zu meinem heutigen Standesamtsouvenir übersiedelte. Meine Katzen, allen voran Marie, waren mein Ein und Alles. Wobei Marie definitiv ein Hundegen in sich trug – sie ging mit mir spazieren und konnte auf Kommando mit dem Schwanz wedeln. Und so manches andere mehr. Sie war wirklich eine ganz außergewöhnliche Katze und fehlt bis heute.

Vier Katzen und ein Hund in einer Stadtwohnung? Das fühlte sich nicht richtig an. Erst als nur noch Harold, als letzter von der Katzenbande, übrig blieb, kam der Hund wieder auf die Wunschliste. Meine beiden Lieblingskolleginnen hatten beide Golden Retriever, die uns auch fleißig bei der Arbeit unterstützen durften, aber ich... ich träumte immer noch vom Border (und von eigenen Schafen). Und überhaupt, war ich nicht die geborene Hundeflüsterin gewesen, damals? Die Frau, der die Hunde vertrauten (und folgten?).

Der Zufall wollte es, dass Cathrin Ziebarth gerade einen Wurf Border Collies hatte, und als mit meinem Vorgesetzen abgeklärt war, dass mein Hund ein Bürohund werden könnte, zog Idgie bei uns ein.

Ein junger Border Collie testet seine Gelenkigkeit in einer Katzenhöhle.
Idgie fand die Katzenhöhle unseres Katers mörderspannend.

Ganz leicht, ganz leicht – muss es nicht sein

In junger Border Collie steht asuf einer Wiese und schleckt sich über den Fang.
Als Junghund hatte Idgie jede Menge Flausen im Kopf.

Um es vorneweg zu sagen: Mit Idgie war es Liebe auf den ersten Blick. Und sie ist bis heute mein absoluter Traum- und Seelenhund. Trotzdem stellte ich schnell fest, dass ein Border Collie andere Herausforderungen bereit hält, als ein Collie. Die Vielzahl der Hundebücher auf dem deutschen Markt erwies sich bei meiner hündischen Fortbildung eher als hinderlich, da ich bei den meisten Autoren das Gefühl hatte, mir und meinem Hund ein starres Konzept und die alleinglückseligmachende Wahrheit überstülpen zu müssen. Schnell merkte ich, dass Dogmen Hundehalter sind. Und dass die meisten Methoden uns als Team nicht weiterbrachten. Seitdem haben es Hundebücher bei mir sehr, sehr schwer – das letzte habe ich wütend in die Ecke gepfeffert, weil eine Gastautorin sich zu der Aussage hinreißen lääst: "Die Vermeidungs- oder Ablehnungsstrategie ist eher maladaptiv, da sie einen passiven Charakter besitzt (...) und eine negative (...) Einstellung gegenüber der Situation bedeutet. (...) So zählen beispielsweise Menschen dazu, die sich nach dem Tod ihres geliebten Vierbeiners sofort ein neues Tier anschaffen, um sich nicht mit dem Thema Sterben auseinandersetzen zu müssen." Sorry, das ist für mich so am Thema vorbei und so unendlich empathielos, das muss ich nicht als Lektüre haben.

Der Hundeverein in der Nachbarschaft war weder mit seinen Methoden noch seinen Menschen für Idgie und mich geeignet. Mein Hund war klüger als ich: Idgie hat den Aufnahmeantrag einfach nach der dritten Schnupperstunde aufgefressen :-) . Das nötige Rüstzeug auf dem Weg zu einem funktionierenden Hund-Mensch-Gespann hat uns dann Carmen Baumgarten vermittelt, die uns da abgeholt hat, wo wir standen: Die impulsive Idgie und das oft zu hektisch agierende Frauchen konnten sich nämlich ganz prima gemeinsam hochschaukeln. Konsequenz (an der es mir manchmal immer noch fehlt) und ganz viel Ruhe für beide Seiten haben schließlich zum Erfolg geführt. Wir haben Longieren, Mantrailing und Objektsuche trainiert und sind dabei zu einem echt guten Team geworden. Mich ebenfalls weiter gebracht haben drei Seminare bei Michael Stephan. Vor allem "das Erlebnis Tiefe Verbundenheit" war hochemotional, eine Achterbahn der Gefühle und hat so manche verheilt geglaubte Wunde aufgerissen, langfristig aber zu einem veränderten Blick auf meinen tollen Hund geführt. Als ein Jahr später eine Teilnehmerin auf einem Folgeseminar sagte, Idgie sei eine coole Socke geworden, war das wie ein Ritterschlag für uns. Yeah!

Ein Border Collie rennt am Strand von Bretteville in der Normandie
Idgie heute – ein lebensfroher Hund auf den ich mich in allen Lebenslagen verlassen kann.

Auch unsere Aufenthalte in Portbail und unser Umzug haben dazu beigetragen, dass Idgie immer entspannter und noch cooler wurde. Und ich lernte, mehr auf mein Bauchgefühl zu hören. Ich kann mich auf Idgie heute zu 100 % verlassen, auch wenn sie immer noch gerne Quatsch macht – um des Quatsch machens wegen. Ben, den wir aus dem Tierschutz dazu bekommen haben, ist dagegen wieder ein anderer Fall. Er ist zwar super leichtführig, kann aber auch völlig autistisch in seine eigene Welt abtauchen. Und manchmal ist es schwierig, ihn mit meinen "Erde-an-Collie"-Funksprüchen zu erreichen. Doch auch das handeln wir – meistens sogar ganz gut.

Wir müssen heute nicht mehr perfekt sein. Uns irgendetwas beweisen. Es muss im Alltag funktionieren. Idgie und Ben dürfen das sein, was sie sind: Zwei Familienhunde. Ich kann auf sie vertrauen, und auf mich selbst, meine Intuition, mein Wissen, meine Erfahrung.

Und so streife ich heute mit meinen Hunden durch die Natur oder am Strand entlang. So, wie ich es mir immer erträumt hatte. Auch wenn's klischeehaft klingt: Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Mit Hund. Als Hundemensch.

Zwei Border Collies spiegeln sich in einer Pfütze am Strand von Saint-Germain-sur-Ay in der Normandie
Idgie und Ben – zwei Border die unterschiedlicher nicht sein können. Ich liebe sie beide.

Nachwort: Ein kurzer Dank

Allen, die mich auf meinem Weg die letzten Jahre begleitet haben – die erwähnten und unerwähnten – ein herzliches und riesiges Dankeschön. Danke fürs Ertragen, fürs Hinterfragen, Aufmuntern und Annehmen. Danke für Eure Solidarität und Freundschaft! Danke auch an mein wundervolles Standesamtmitbringsel, der mich trotz Hund und Katz genommen hat und weiter behält.

Und ja, es stehen Namen mit Verlinkungen in diesem Text. Ganz und gar unbezahlt. Im Gegenteil, ich habe an vielen Stellen auf meinem Weg Lehrgeld in Form von Euros, Stunden im Dauerregen auf dem Hundeplatz und gebrochenen Knochen bezahlt. Aber ich bereue nichts :-) .

Und wie seid Ihr zu Hundemenschen geworden? Schreibt es mir in den Kommentaren!

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Kommentare: 5
  • #1

    Ellen (Donnerstag, 28 März 2019 22:36)

    Liebe Barbara,

    sooo schön geschrieben, das berührt mich zutiefst. Danke.

  • #2

    Connie (Freitag, 29 März 2019 14:12)

    Ich schließe mich Barbara an .. es berührt mich sehr und es trifft die Hundeliebe auf den Punkt
    Danke dir
    Connie

  • #3

    Peter (Freitag, 29 März 2019 15:10)

    super...danke

  • #4

    Nico (Freitag, 29 März 2019 18:26)

    Super Artikel, erkenne vieles, Danke.
    Aber gebrochene Knochen sind mir (und Familie) bisher erspart geblieben.

  • #5

    Jasmin (Dienstag, 04 Juni 2019 19:48)

    Liebe Barbara
    Dein Text ist so toll geschrieben.
    Mit unserem ersten Hund Joy (2001, Pon) ist auch mein Kindheitstraum vom eigenen Hund in Erfüllung gegangen. 2010 kam unsere Biewer Yorkshire Terrierhündin Kylie zu uns. 2014 mussten wir unseren Seelenhund Joy schweren Herzens über die Regenbrücke gehen lassen. Es vergeht kein Tag, wo ich nicht an ihn denke.
    2015 habe ich mir meinen sehnlichsten Kindheitstraum von einem Windhund (leider kein Afghan) namens Camaro (Langhaar Whippet ) erfüllt. Und weil es bekanntlich nicht bei einem Windhund bleibt, ist 2018 unsere wilde Samira bei und eingezogen.
    2002 waren wir mit Joy zum ersten Mal in der Normandie. Für uns und unsere Hunde einfach das Paradies.


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