[Buchtipp/selbst bezahlt / enthält Affiliate-Link]. Ja, Hundebücher haben es bei mir schwer. Zu oft habe ich den Eindruck, der oder die Autorin versucht mir die allein glückseligmachende Wahrheit zu verkaufen. Die reine Hundelehre, sozusagen. Oder ich muss feststellen, dass ich einfach nichts damit anfangen kann, wie etwa beim Obedience-Buch (Idgie und ich werden keine Meister des Fachs werden). Oder, oder, oder. Romane habe ich fast alle bis zum Ende gelesen, Hundebücher vielleicht die Hälfte. Trotzdem haben sich mittlerweile ein paar gute Hundebücher auf meinem Nachttisch gesammelt. Es werden künftig nicht nur Bücher mit Normandie-Bezug rezensiert werden, sondern auch Hundebücher. Das erste kommt von der bekannten Wolfsforscherin Elli H. Radinger: Die Weisheit alter Hunde.
Elli Radingers Buch habe ich schon vor längerer Zeit gelesen, schließlich ist es auch schon eine ganze Weile auf dem Markt und konnte sich 46 Wochen auf der Bestseller-Liste halten. Selbst der kritsche Denis Scheck ("Druckfrisch") konnte dem Buch noch Positives abgewinnen, auch wenn er es "hart an der Kitschgrenze" sieht. Und ich wollte es schon längst hier vorgestellt haben, aber irgendwie hat es mich dann doch nicht so richtig gepackt. Weil in der Tat Elli Radinger auf einem sehr schmalen Pfad zwischen "berührend" und "kitschig" wandelt, vielleicht auch, weil meine Hunde einfach zu jung sind, als dass das Thema mich ergreifen hätte können. Und dann kam Zora.
Ich hatte Zora im September 2019, zusammen mit ihren jüngeren Kumpanen, vor der Linse. Zora war fünfzehneinhalb, und ihre Menschen Maya und Tom hatten mir geschrieben: "Weil es für unsere Zora vielleicht die letzten Ferien sind, möchten wir gerne ein paar schöne Erinnerungsfotos von ihr und eventuell den beiden Wilden machen lassen." Sie hatten allerdings Bedenken, wie ihr "Trio Infernale" auf die Fotografin reagieren würde. Und Zora war obendrein taub.
Um es kurz zu machen: Es war eines der schönsten Shootings des Sommers. Und Zora hat mich so oft an das Gelesene erinnert, mich völlig für sie eingenommen. Nicht nur, dass sie manchmal wirkte, als ob sie in ihrer ganz eigenen Welt zu Hause sein schien. Sie lebte auch richtig auf und hatte, aller körperlichen Gebrechen zum Trotz, sogar viel Spaß am Strand.
Zoras Geschichte
Irgendwann im Herbst habe ich Zoras Menschen gefragt, ob ich die Bilder von ihr für diesen kleinen Buchtipp verwenden dürfte. Und ob sie mir etwas von Zoras Geschichte erzählen mögen. Zora stammt ursprünglich aus Serbien, Maya und Tom haben sie mit anderthalb Jahren aus dem Tierheim geholt. Maya schreibt:
"Das Heim wurde von einer alten Frau geleitet, welche – aus heutiger Sicht – ziemlich spezielle Gepflogenheiten hatte. Wir wurden gedrängt, Zora sofort mitzunehmen, ansonsten sei sie vielleicht schon weg... . Sie wollte und konnte uns auch keine Angaben zu ihrer Herkunft machen. Einzig, dass sie von einem Bauernhof komme. Als dann Finn nach über zehn Jahren zu uns kam, meinte die Tierheimleiterin, die die Nachkontrolle machte, dass sie Zora erkenne. Sie und ihr Mann hätten früher Hunde aus Osteuropa gerettet und Zora käme vermutlich aus Serbien. Anyway, Zora war immer ein Freigeist. Sie hatte vor nichts und niemandem Angst. Ihr Appetit und teilweise auch ihr Freiheits- und Jagddrang waren unersättlich. Und seit sie beim Entenjagen versehentlich in den Fluss gefallen ist, auch ihre Leidenschaft für Wasser und schwimmen (und ich wollte schon hinterher hechten und sie retten, weil Tom sich geweigert hat).
Tom hat fast alle Arten von Hundesport mit ihr ausprobiert, sie machte jeweils ein paar Minuten mit und dann hatte sie es "gesehen". Er hat es dann irgendwann aufgegeben... . Arbeiten auf Befehl ist nicht ihr Ding. Sie gehorchte wie ne Eins - sofern sie gerade nichts wichtigeres am Laufen hatte... . Holten wir den Rucksack raus, wusste sie Bescheid. Sah sie die Murmeltierbauten vor uns, warteten wir die nächste Stunde, bis Madame wieder Zeit für uns hatte. Und wenn sie dann merkte, upps – dicke Luft, kam sie hinkend an. Und wenn wir dann voll Sorge waren und der Ärger verflogen war, hüpfte sie wieder davon... Ja, ja - sie hatte und hat uns gut im Griff :-) und wir freuen uns, wenn wir sie noch ein wenig genießen können und die beiden Jungs halten sie auch noch ein wenig fit."
Tom ergänzt im PS: "Maya hat leicht übertrieben. Bei einer klarer Ansage hat sie aufs Wort gehorcht...".
Ich habe eine großartige Dame kennengelernt, und auch die beiden jungen Wilden fanden mich weit weniger gruselig, als von ihren Menschen befürchtet. Und Maya und Tom sind großartige Hundemenschen, vor allem die richtigen Menschen für diese drei besonderen Hunde.
Schon während des Shooting dachte ich: Zora drückt genau das aus, was Elli Radinger in ihrem Buch zur Sprache bringt: erkenne, was wirklich wichtig ist, nimm jeden Tag als Geschenk, du musst nicht perfekt sein.
Die Weisheit alter Hunde - deshalb solltet Ihr das Buch lesen!
Gewiss, es sind "Binsenweisheiten" (Denis Scheck", die Elli Radinger zu Papier gebracht hat. Also Dinge, die wir alle natürlich irgendwie wissen. Aber eben die auch immer wieder vom Alltag zugeschüttet werden. Alle bitte mal den Finger heben: Wer von Euch setzt Achtsamkeit für seine Hunde wirklich um? Lebt den Tag bewusst? Und wissen wir nicht eigentlich auch, dass unser Partner uns liebt? Und freuen uns trotzdem, wenn er es auch sagt? So ähnlich ist es mit diesem Buch, es holt HundehalterInnen mit einem alten (oder nicht so alten) Hund da ab, wo er/sie steht und erinnert daran, was jetzt, so auf der Zielgeraden des Lebens, wichtig ist. Die Autorin hat selbst ihre Wolfsforschung eingestellt, um mehr Zeit mit ihrer alternden Hündin Shira verbringen zu können (sicher ein Privileg, dass sich nur die wenigsten Menschen leisten können). Stattdessen hat sie ihre Gedanken zum Altern und Sterben unserer Hunde niedergeschrieben: "Viele Hundehalter erkennen irgendwann mit Schrecken, dass ihre Lieblinge älter werden. Merkwürdigerweise wird uns das Alter unserer Hunde eher bewusst als unser eigenes. Was können wir tun? Sollen wir uns wie gelähmt hinsetzen, die Zeit beklagen und auf den Tod warten? Wir wissen nicht, wann er kommt. Es kann heute sein, morgen, oder erst in sieben oder acht Jahren. Wir haben keinen Einfluss darauf. Was wir jedoch tun können, ist unser Leben voll zu leben und zu lieben. Jeden Moment mit unseren Vierbeinern zum kostbarsten unseres Lebens zu machen. Denn dieser Augenblick ist alles, was zählt."
Daneben teilt die Autorin ihre Sichtweisen und Erkenntnisse zum Leben in Allgemeinen mit uns, berichtet von ihren Erfahrungen mit (und ohne) Hund und lässt immer wieder Forschungsergebnisse über Hunde in den Text einfließen – wie zum Beispiel die Tatsache, dass Hunden ein Lob ihres Menschen wichtiger als Leckerli ist.
In vielen Kapiteln geht es darum, mehr wie unsere Hunde zu werden, die Prioritäten eher wie Hunde zu setzen und von unseren Vierbeinern zu lernen. Zum Beispiel auf die Intuition zu vertrauen und auf materielle Dinge oder Äußerlichkeiten keinen Wert zu legen. Sich an den kleinen Dingen erfreuen. Im Hier und Jetzt leben.
Einen breiten Raum im Buch nehmen die Themen Tod und Trauer ein, mithin Dinge, die wir alle nicht so gerne an uns ran lassen. Elli H. Radinger spricht davon, dass die Beschäftigung mit dem Tod sie habe wachsen und reifen lassen. Schreibt aber auch darüber, wie schwer es ihr bei ihrer zweiten Hündin Lady gefallen ist, sie wirklich los und gehen zu lassen. Berichtet von den letzten Stunden des Abschiednehmens und der Trauer. "Es ist das letzte Geschenk, das uns unsere Hunde geben. Das Geschenk des Loslassens. Es ist kein Geschenk, das wir wollen."
Das Buch ist hilfreich, ermutigend und tröstend für alle, die mit einem alten oder kranken Hund leben. Die diese letzte Zeit noch mit möglichst viel Liebe füllen möchten. Nicht wissen, wohin mit Trauer und Schmerz. Aber auch für jene, die bereits mit jüngeren Hunden einen bewussteren, achtsameren Alltag erleben wollen – wir sollten nichts auf "später" verschieben, was schnell zu spät sein kann. Mittlerweile lese ichimmer dann, wenn ich in Depressionen und Grübeleien verfalle, ein paar Abschnitte aus Elli H. Radingers Buch. Und muss konstatieren: ein gutes Buch muss mich nicht unbedingt intellektuell herausfordern. Es reicht, wenn es ein Freund ist.
Über die Autorin und das Werk
Elli H. Radinger arbeitete als Flugbegleiterin und Dolmetscherin, sie studierte Jura und war Rechtsanwältin, bevor sie sich ganz dem Schreiben und der Wolfsforschung widmete. Über 30 Jahre hat sie einen Großteil des Jahres im Yellowstone-Nationalpark bei "ihren" Wölfen verbracht.
Die Wolfsforscherin hat zahlreiche Sachbücher veröffentlicht, unter anderem "Die Weisheit der Wölfe". Mehr Infos erhaltet Ihr auf der Homepage der Autorin.
"Die Weisheit alter Hunde" ist im Oktober 2018 im Ludwig Verlag erschienen.
320 Seiten
ISBN 978-3453281080
22,00 € (Hardcover) / 12,99 € (Taschenbuch)
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*Der Amazon-Link ist ein sogenannter "Affiliate-Link". Wenn Ihr über diesen das Buch bestellt, bekomme ich als Partner eine kleine Provision. Für Euch ändert sich nichts am Preis.
Transparenzhinweis: Ich habe das Buch selbst gekauft, bezahlt, gelesen und für weiterempfehlenswert erachtet.
Ein PS – Danke
Danke an dieser Stelle an Maya und Tom für Euer Vertrauen, Eure Geschichte und dass ich sie hier zusammen mit den Bildern veröffentlichen darf. Ich fühle mich reich beschenkt!
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Ellen Blessing (Freitag, 06 Dezember 2019 13:10)
Wunderschön geschrieben und sehr, sehr schöne Fotos von der Lieben alten Hundedame.
Wir genießen unsere herzkranke graue Schnauze auch jeden Tag.
Vielen Dank und viele Grüße
Ellen von www.mit-hund-auf-tour.de